Das Prinzip der inneren Notwendigkeit von Kandinsky oder: Kunst muss die Seele berühren
Gestern haben Clara und ich uns zusammengesetzt und einige Sachen besprochen… unter anderem, dass wir ein Experiment wagen möchten… nämlich in nächster Zeit einmal gemeinsam ein paar Bilder machen. Und dann haben wir über Kandinsky’s Prinzip der inneren Notwendigkeit gesprochen.
Wassily Kandinsky war bereits 30 Jahre alt und in Russland Ende des 19. Jahrhunderts als Jurist tätig. Er dachte immer Kunst ist nur das langweilige Nachmalen von Körpern, Landschaften oder Gegenständen. Da sah er eines Tages in einem Museum ein Bild von Claude Monet und das änderte schlagartig seine Sichtweise. Kunst kann auch Gefühle im Betrachter bewirken…
Er kündigte seinen Job, siedelte nach München über, damals wohl nach Paris das Zentrum für Bildende Kunst in Europa. Er schrieb sich bei einer damals bekannten privaten Malschule ein und studierte 2 oder 3 Jahre Malerei. Danach gründete er mit Thalanx seine eigene Malschule in München und gründete die Künstlervereinigung „Der blaue Reiter“ Später wurde er ab 1922 wie Johannes Itten, Lyonel Feininger, Paul Klee oder Laszlo Moholy-Nago Professor an der Kunsthochschule „Das Bauhaus“ in Weimar und Dessau. Er gilt weithin als Begründer der abstrakten Kunst.
Ich habe vor ein paar Wochen sein Buch „Über das Geistige in der Kunst“ aus dem Jahr 1912 gelesen, nach einem Artikel über Kandinsky in einem der Hunderte von ART-Magazinen, die bei Clara im Atelier fein säuberlich aufgestapelt sind.
Es war für mich eine große Überraschung zu erfahren, dass auch Wassily Kandinsky wie so viele damals Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts im Kulturleben Deutschlands beeinflusst waren von Madame Blavatsky’s „Secret Doctrine“. Kandinsky schrieb ihren Namen als „Blawatzki“… über das Thema Secret Doktrin von Madame Blavatzki kann man sicher einen eigenen Blogartikel schreiben, wenn nicht sogar mehrere…
Wie auch immer… Kandinsky schreibt „Über das Geistige in der Kunst“:
„Nach der Periode der materialistischen Versuchung, welcher die Seele scheint unterlag und welche sie doch als eine böse Versuchung abschüttelt, kommt die Seele… empor. Gröbere Gefühle, wie Angst, Freude, Trauer usw., welche auch zu dieser Versuchungsperiode als Inhalt der Kunst dienen könnten, werden den Künstler wenig anziehen. Er wird suchen, feinere Gefühle, die jetzt namenlos sind, zu erwecken… das aus ihm entsprungene Werk wird unbedingt dem Zuschauer, welcher dazu fähig ist, feinere Emotionen verursachen, die mit unseren Worten nicht zu fassen sind.“ (S. 26/27, Ausgabe 2006, Benteli Verlag)
„… Mit kalten Augen und gleichgültigen Gemüt wird dieses Werk beschaut. Die Kenner bewundern die „Mache“ (so wie man einen Seiltänzer bewundert), genießen die „Malerei“ (so wie man eine Pastete genießt). Hungrige Seelen gehen hungrig ab. Die große Menge schlendert durch die Säle und findet die Leinwände „nett“ und „großartig“.Mensch, der was sagen könnte, hat zum Menschen nichts geaagt, und der, der hören könnte, hat nichts gehört. Diesen Zustand nennt man l’art pour l’art“ (Kunst für die Kunst, Anm.) „Dieses Vernichten der innerlichen Klänge, die der Farben Leben ist, dieses Zerstreuen der Kräfte des Künstlers ins Leere ist „Kunst für die Kunst“.
Für seine Geschicklichkeit, Erfindungs- und Empfindungskraft sucht sich der Künstler in materieller Form den Lohn. Sein Zweck wird Befriedigung des Ehrgeizes und der Habsucht. Statt einer vertieften gemeinsamen Arbeit der Künstler entsteht ein Kampf um diese Güter. Man klagt über zu große Konkurrenz und Überproduktion. Haß, Parteilichkeit, Eifersucht, Intrigen werden zur Folge dieser zweckberaubten Kunst.“ (S. 28/29, Ausgabe 2006, Benteli Verlag)
„So ist es klar, dass die Farbenharmonie nur auf dem Prinzip der zweckmäßigen Berührung der menschlichen Seele ruhen muß. Diese Basis soll als Prinzip der inneren Notwendigkeit bezeichnet werden.“
(S.68 ebenda)
„So ist es klar, daß die Formenharmonie nur auf dem Prinzip der zweckmäßigen Berührung der menschlichen Seele ruhen muß. Dieses Prinzip wurde hier als das Prinzip der inneren Notwendigkeit bezeichnet.“
(S.73, ebenda)
Mit anderen Worten:
Wasssily Kandinski sagt mehr oder weniger klar: Kunst muss die Seele berühren!
Wunderbar!
Ich freue mich auf das Experiment mit Clara
Alles Liebe, Euer Johannes
Guten Tag, interessanter Beitrag!, ich schreibe gerade einer Arbeit und wollte dabei das Buch „Über das Geistige in der Kunst“ auch zitieren, nur finde ich im Internet nicht die Ausgabe, die Sie in ihrem Beitrag erwähnt haben, wäre es möglich, wenn sie mir sagen könnten, welcher Verlagsort die von Ihnen genutzte Ausgabe hat und welche Auflage es ist?
Vielen Dank!
Anja
ps: oder am besten wäre es, wenn sie mir die ISBN Nummer mitteilen könnten.
LG
Liebe Anja, vielen Dank für Deine Nachricht. Anbei die gewünschten Infos: Es handelte sich um die Ausgabe vom Bentelli Verlag, Bern,
2006 2. Auflage. 2004 war eine revidierte Neuauflage.
Viele Grüße und alles Gute!
Jana Schmidt
– Assistenz Clara Morgenthau –